ANTON RIEMERSCHMID

Unser Gründer und Namensgeber
Ein Mann mit vielen Facetten und einem ausgeprägten Sinn für Gleichberechtigung von Mann und Frau

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München im 19. Jahrhundert

In München gab es im 19. Jahrhundert zwar eine Universität, Akademien, Gymnasien und Realschulen, diese waren aber in erster Linie der männlichen Jugend vorbehalten. Nach der Revolution von 1848 begann in bürgerlichen Kreisen eine erste Diskussion um die Berufstätigkeit der Frau. Doch auch diese bürgerliche Frauenbewegung sah die Berufstätigkeit als eine Phase des Übergangs zwischen Schule und Heirat. Nach der Eheschließung sollte sich die Frau wieder aus dem Berufsleben zurückziehen. Schulen für Mädchen wurden hauptsächlich von Klöstern betrieben. So errichteten die Englischen Fräulein bereits im 17. Jahrhundert Institute in München, die Armen Schulschwestern de Notre Dame wurden sogar 1841 in München gegründet. Weltliche Mädchenschulen gab es seit dem 18. Jahrhundert. Diese waren jedoch hauptsächlich für die Töchter des Adels („junge Frauenzimmer von Stand“) gedacht. So wurde z.B. an der 1775 gegründeten „Frauenzimmer-Realschule der Maria Xaveria Stamberin“ Französisch, Deutsch, Rechnen, Schreiben, Christentum und Frauenzimmerarbeiten gelehrt. Am 2. Dezember 1822 eröffnete die erste städtische höhere Töchterschule, das spätere Luisengymnasium. Alle diese Schulen erschlossen den Mädchen jedoch wenige Berufsmöglichkeiten. Sie vermittelten lediglich eine „einfache christliche Erziehung und gewissenhafte Anleitung zu allem, was Mädchen lernen sollen, um tugendhafte, gebildete Frauen, Erzieherinnen oder bei geringeren Talenten tüchtige Arbeiterinnen in häuslichen Verrichtungen zu werden“. Zunehmend erzwangen wirtschaftliche Gründe trotzdem die Erwerbstätigkeit vieler Frauen auch nach der Eheschließung. Die Löhne für berufstätige Frauen lagen auch bei gleichen Tätigkeiten erheblich unter denen der Männer. Generell waren die Frauen, wie oben beschrieben, auch schlechter ausgebildet.

Die Idee – „Handelslehranstalt für Frauenzimmer“

Neu und einmalig war daher die Idee des Industriellen Anton Riemerschmid, eine „Handelslehranstalt für Frauenzimmer“ zu gründen. Die zuvor gegründeten Handelsschulen in Gotha (1817), Leipzig (1831), Göttingen (1833) und Nürnberg (1834) waren ausschließlich für Buben zugänglich. Anton Riemerschmid war jedoch der Meinung, auch Mädchen könnten bei entsprechender Vorbildung im kaufmännischen Bürodienst tätig werden. Eine entsprechende kaufmännische Bildung sollte es den Frauen ermöglichen, berufstätig zu werden. Diese Vorkenntnisse sollte die „Handelslehranstalt für Frauenzimmer“ vermitteln und somit auch „alleinstehenden unvermöglichen Personen weiblichen Geschlechts“, wie es in der Festschrift zum 40-jährigen Jubiläum 1902 heißt, ermöglichen, für sich selbst zu sorgen, ohne auf jemanden angewiesen zu sein. Vorher waren nur ganz vereinzelt Frauen als Hilfskraft im Büro tätig. Die Fertigkeiten hatten sie sich auf privatem Weg angeeignet. Die Gründung der Schule war somit ein echter Beitrag zur Lösung der Frauenfrage.

Im Mai 1862 legten Anton Riemerschmid und sein Prokurist Matthias Reischle dem Magistrat der bayerischen Haupt- und Residenzstadt München das „Programm der projektiven Handelsschule für unbemittelte Mädchen“ vor.

„Der Verdienst für weibliche Arbeiten ist bekanntlich sehr gering und steht derart außer Verhältnis mit dem Verdienst der Männer, dass es nicht mehr als gerecht wäre, wenn für einen höheren weiblichen Erwerb gesorgt würde. In der Tat sind die meisten der vielen auf sich angewiesenen Mädchen trotz Geschicklichkeit, Fleiß und Sparsamkeit und mit dem besten Willen, sich anständig fortzubringen, nicht im Stande, sich soviel zu verdienen, als für einen kärglichen Lebensunterhalt, Kleidung und Wohnung nötig ist. Die Unterzeichneten (Riemerschmid und Reischle, d. V.) hegen die Überzeugung, dass die Ursache des niederen Verdienstes für die Arbeiten der Frauenzimmer in der Beschränkung ihres Wirkungskreises liegt; der Verdienst würde sich mit der Zeit erhöhen, wenn ihnen ein mannigfaltigeres Gebiet der Beschäftigung zugänglich gemacht werden würde. Gewiss werden alle einsichtsvollen Männer unsere Ansicht teilen, dass der Ladendienst in kaufmännischen Geschäften, ja sogar ein Teil der leichteren Kontorarbeiten für fähige Mädchen völlig geeignet wäre, vorausgesetzt, dass sie gründliche Vorkenntnisse besitzen im kaufmännischen Rechnen, in der Buchhaltung.“
Die Schülerinnen der neu gegründeten Schule München wurden somit also nach Besuch der Werktagsschule mit sieben Schuljahren über drei Jahre hinweg auf Tätigkeiten im kaufmännischen Bereich vorbereitet.

LEBENSLAUF

1572

die Vorfahren von Anton Riemerschmid waren in Grafing an der alten Römerstraße als Waffenschmiede tätig, so dass der Familienname zunächst „Römerschmied“ lautete. Daraus entwickelte sich der Name und das Logo der Firma und Familie Riemerschmid. Die Arbeitsgemeinschaft für Heimatkunde Grafing berichtet in ihren heimatkundlichen Schriften, dass bereits 1572 der erste Riemerschmid in Grafing erwähnt wurde.

1802

Anton Riemerschmid wurde am 31. Mai 1802 in Burghausen geboren. Die Straße, in der sein Geburtshaus steht, wurde inzwischen in Anton-Riemerschmid-Straße umbenannt.

1835

Die Einweihung der Eisenbahnstrecke zwischen München und Augsburg (1840) und der folgende, rasante Ausbau des Schienennetzes, sowie die fortschreitende Entwicklung der Elektrizität schufen die Grundlagen für die Errichtung von Industriebetrieben in München.

1852

Im Jahre 1852 wurde Anton Riemerschmid zum Alleininhaber der inzwischen vergrößerten und modernisierten Spirituosen- und Essigfabrik, die er unter seinem Namen weiterführte.

1862

Am 2. August 1862 bewilligte schließlich die Königliche Polizeidirektion die Gründung der Schule Riemerschmids. Allerdings mussten die Mädchen, die die Handelslehranstalt besuchen wollten, zusätzlich an Sonn- und Feiertagen die Feiertagsschule absolvieren, um ihre Schulpflicht zu erfüllen.

1862

Am 1. Oktober 1862 konnte schließlich die neue Schule in den Räumen der Firma Riemerschmid Ecke Kanal- und Hildegardstraße eröffnet werden. Zunächst wurden zwei Kurse eingerichtet. Das Aufnahmealter betrug 13 Jahre. Es bewarben sich 43 Mädchen, 25 wurden aufgenommen. Die Ausbildung dauerte zwei Jahre, die Durchschnittsnote 2,5 aus allen Fächern berechtigte zum Vorrücken in die zweite Jahrgangsstufe. Direktor der neuen Schule wurde der Prokurist der Firma Riemerschmid Matthias Reischle. Reischle war ein erfahrener, weit gereister Kaufmann mit pädagogischen Fähigkeiten. Er arbeitete, bevor er nach München kam, unter anderem in Athen und im Orient. Die Finanzierung der neuen Schule lag im Wesentlichen in der Hand der Firma Riemerschmid. Schulgeld wurde nicht erhoben. In den ersten zehn Jahren wurde der Unterricht abwechselnd vor- und nachmittags erteilt. Der erste Kurs hatte vier Stunden am Vormittag, der zweite zwei Stunden am Nachmittag. Am nächsten Tag wurde getauscht.

1862

1862 zählte München gerade 130.000 Einwohner, die Propyläen auf dem Königsplatz wurden eingeweiht und das erste öffentliche Verkehrsmittel in München mit Fahrplan, der Pferdeomnibus, ging auf der Route zwischen Mariahilfplatz und Bahnhof in Betrieb.

1898

Die Familie des Schulgründers bleibt bis heute und in die Zukunft der seit 1898 städtischen Riemerschmid-Wirtschaftsschule München verbunden. Die Heinrich-Riemerschmid-Stiftung unterstützt die Schule zuverlässig seit vielen Jahren mit großzügigen Spenden. Ein Höhepunkt des Schullebens ist die alljährliche Prämierung der besten Absolventinnen mit beachtlichen Geldpreisen durch die Heinrich-Riemerschmid-Stiftung.